„Quer“ gedacht oder mehr gemacht?

Hm – wie fange ich an? Vielleicht so: Derzeit gibt es nach meiner Wahrnehmung viele unterschiedliche Corona-Typen:

Der Verschlinger

Nichts und niemand ist vor mir sicher. Zwölf Stunden pro Tag am Bildschirm und im Internet, dazu Text im TV, Hauptunterhalter in den sozialen Medien. Einer muss es ja sagen. Ich! Ich brauche Input, Input und nochmal Input.

Der Katastrophendenker

Wir müssen alle sterben, mein Haus geht drauf und die Wirtschaft liegt am Boden. Die Menschheit geht unter.

Der unterwürfige Vernünftige

Ich mache alles, was mir gesagt wird. Zum Wohle aller! Ich halte mich an alle Regeln und überlege nicht groß. Die werden schon das Richtige für mich entscheiden.

Der denkende Vernünftige

Ich mache alles, was mir gesagt wird. Zum Wohle aller! Ich halte mich an alle Regeln. Ich denke aber noch, habe eine eigene Meinung. Meine Informationen sind breit aufgestellt. Ich spüre mein Unbehagen, benutze dennoch meinen gesunden Menschenverstand.

Der Verschwörer

Alles hausgemacht von den Mächtigen dieser Erde. Wir sind jetzt nahe davor, einen Chip eingepflanzt zu bekommen. Kommt alles von den Russen. Von wem sonst? In Wirklichkeit ist die Pandemie eine Panem-Demie. Ab 2021 gibt es die Hungerspiele für alle.

Der Wirtschaftskritische

Wer verdient an den Tests, an den Hygieneartikeln, am Klopapier? Die WHO und die Forschung sind nicht unabhängig. Noch in diesem Jahr gibt es eine Zwangsimpfung für alle. Das belebt bestimmt die Börse und wer profitiert wieder? Die Reichen!

Der „Alles Quatsch-Typ“

Alles Unsinn. Es gab schon wesentlich Schlimmeres. Ich mache mein Ding, mache, was und wann ich es will.

Der Hobby-Virologe und Meinungsbildner in sozialen Netzwerken

Ich sage denen jetzt mal, wie ich mir das vorstelle. 95 % können nicht irren. Der Zeigefinger muss her. Diese Deppen halten sich an nichts! Es gibt nur eine Meinung!

Die Denunzianten

Ich habe eine Menge Abweichler festgestellt. Ein Skandal! Treten in Gruppen auf am See, im Park und in der Stadt. Ich habe sie fotografiert und stelle sie an den sozialen Netzwerk-Pranger. Ich rufe mal bei der Stadt an und beim Radio. Alle, die jetzt nicht mitmachen, sind Hohlbirnen mit wenig Intelligenz. Zur Not zeige ich meinen eigenen Arbeitgeber an

Die arbeitenden Menschen

Ich gebe alles, um die Gemeinschaft zu versorgen, ihre Gesundheit zu gewährleisten, die Sicherheit aufrechtzuerhalten. Ich bin Tag für Tag für die Menschen da.

Der „Alles-anders-Macher“

Ich würde … alles anders machen. Nur einmal die Woche einkaufen. Einmal im Monat der Oma eine Postkarte senden. Alle Abtrünnige gehören ins Gefängnis. Nach der Krise kriegen alle 500 Euro mehr. Freie Fahrt dem mündigen Bürger. Wenn sich alle anstecken, ist das Problem kein Problem mehr.

Der Corona-Party-Geher

Nach mir die Sintflut. Was interessieren mich meine Mitmenschen? Mein Spaß ist wichtig, sonst nichts!

Der Resignierte

Egal, was wir tun: Alles hat keinen Sinn. Alles wird zusammenbrechen. Das ist das Ende!

Der Gelassene

Ich mache alles, was mir gesagt wird. Zum Wohle aller! Ich halte mich an alle Regeln. Es kommt, wie es kommt. Das Leben lässt sich nichts vorschreiben, und ich kann es nicht kontrollieren.

Der Verzweifelte

Ich mache mir Sorgen um meine berufliche Zukunft. Ich mache mir Sorgen um meine eigene Firma. Kein Geld für Miete, Angestellte, keine Einnahmen. Wie soll das weitergehen?

Der Statistiker

Die Zahlen sprechen für sich. Infizierte und Tote lügen nicht!

Der Politiker

Ich übernehme Verantwortung, ich bin die letzte Instanz. Ich kann nicht weglaufen. Ich muss Entscheidungen treffen. Schnell, zuverlässig, glaubwürdig und wirksam. Ich beweise mich als Krisenmanager. Hoffentlich wird das von dem Wähler wahrgenommen. Ein bisschen Wahlkampf kann nicht schaden.

Der Journalist

Unsere Leser haben das Recht, umfassend, breit, objektiv und seriös informiert zu werden. Jetzt gilts! Wir steigern unsere Auflagen. Angst ist das Instrument der Stunde.

Der Gar-Nix-Versteher

Es gibt sie – die blöden Fragen! Ich habe das Virus nicht, meine Frau auch nicht. Kann ich trotzdem Corona bekommen, wenn wir uns küssen? Nun das erinnert an Dr. Sommer von BRAVO. Wer zu jung ist, um ihn zu kennen… Dr. Sommer beantwortete Jahrzehnte lang Fragen von Teenagern z. B. „Werde ich schwanger vom Küssen?“

Der Typ „Wer hat recht und wer ist schuld?

Wir müssen das nachher alles komplett aufarbeiten. Wer hatte recht und wer war/ist schuld? Das ist die Frage, die es zu beantworten gilt. Alle müssen zur Verantwortung gezogen werden. Mit aller Härte, unnachsichtig!

Die Menschen, die von Ängsten und Depressionen betroffen sind

Der Virus macht mir zu meinen bestehenden Problemen noch viel mehr Angst. Ich bin zutiefst beunruhigt, verspüre noch mehr und stärkere Symptome. Gerade verliere ich den Boden unter meinen Füßen, weiß keinen Ausweg. Ich dachte, ich hätte meine Ängste bewältigt. Nun kommen sie wieder. Was kann ich bloß tun?


Beim nochmaligen Lesen meiner Typisierung fiel mir mit einem Schmunzeln auf: Wahrscheinlich gibt es noch sehr viel mehr andere Typen und Untertypen. Meine Typisierung ist eine Beobachtung, keine Wertung. Mir geht es nicht um „gut“ oder „böse!“

Ich bleibe nun die Frage schuldig „Welcher Typ bin ich?“ Ich komme zu dem Schluss, das ist gar nicht so wichtig. Entscheidend ist mein Verhalten. Was tue ich, und was ist nur reden oder übernommen, eben nachgeplappert? Nur vom Reden wird nämlich der Reis nicht gekocht!

Ich merke schon, wie viel mehr ich mich gedanklich mit der Krise beschäftige. Ich nehme die Krise ernst, mag Humor sehr gerne, platte Witze eher nicht! Ich verspotte nicht den Tod, übernehme Verantwortung; ich bringe mich selbst ein für die Gesellschaft und mache Onlineberatung für die Deutsche Angst-Hilfe e. V. (DASH).

Mir persönlich sind die „amtlichen“ Ratschläge zu wenig. Abstand halten und Hände waschen sind ja ganz ok und wichtig, doch wir haben eine wesentlich breitere Palette wirksamer Maßnahmen zu unserer Verfügung.

1. Angst und Respekt in einem gewissen Maß haben. (Schutzfunktion Vorsicht und Achtsamkeit)

2. Immunsystem stärken und harmonisieren. Dabei auf gute Stressbewältigung (physisch und psychisch) achten (z. B. Sport, Lesen, Garten, Wald, Gelassenheit üben, alte Fotoalben herauskramen) –> Psychohygiene.

Ich trinke viel warmen Tee mit Ingwer, nehme Vitamin C, Knoblauch. Ich mache Entspannungsübungen, auch Spaziergänge. Ich glaube beschützt zu sein und bete oft (auch für unsere Klienten, bevor ich sie berate). Ich pflege gute Beziehungen (auch telefonisch). Ich ernähre mich gut und trinke viel Wasser. Ganz bewusst interessiere ich mich auch für andere Themen, strukturiere meinen Tagesablauf. Ferner habe ich in meinem Garten vier Bäume gepflanzt. Sport: Meine Sportart Tischtennis ist leider nicht möglich. Ich fahre zurzeit Fahrrad im Wald und gehe auf meinen Ellipsentrainer.

3. Ich schaue nur einmal am Tag Nachrichten.

4. Ich äußere mich nicht in sozialen Netzwerken. Ich reduziere meinen Aufenthalt in sozialen Netzwerken erheblich. Ich halte es aus, nicht zu allem etwas Schlaues zu sagen. Auch wenn’s juckt!

5. Ich informiere mich umfassend. Damit meine ich nicht täglich zwölf Stunden, sondern bei verschiedenen Quellen. Ich informiere mich bei den Seiten der Bundes- und Landesregierung und anderen seriösen Quellen.

Ich möchte frei bleiben im Denken und keine konsensdiktatorischen Gedanken haben. Ich glaube schon, dass ich verantwortungsvoll bin, wenn auch ein ganz klein wenig abseits des allgemeinen Mainstreams.

6. Ich bin gerade jetzt außerordentlich freundlich zu dem Verkaufspersonal in den Geschäften und zu allen Berufstätigen. Was nutzt einem Bürger, wenn er verantwortungsvoll mit Schutzhandschuhen und Atemschutzmasken einkaufen geht und dann die Verkäuferin beschimpft oder sich mit anderen Kunden streitet. Er setzt dann gleich mehrere Immunsysteme herunter.

7. Ich halte mich von Verschwörungstheorien fern, bewahre mir aber einen kritischen Verstand.

8. Ich „hamstere“ nicht. Ok – Schokolade schon ? Denn – 14 von 10 Menschen finden Schokolade unverzichtbar.

Die Zahlen werden weiter hochgehen. Die Frage ist, ob das unserer Unvernunft zuzuschreiben ist oder allgemeiner Viren-Mathematik.

Natürlich ist im Moment Solidarität und Zusammenhalt gefragt. Grundrechte werden eingeschränkt, und das macht Sinn. Keinen Sinn macht es, wenn wir uns gegenseitig überwachen, uns gegenseitig fetzen und uns anschwärzen.

Ich stelle fest – wenn ich mich sinnvollerweise mal mit anderen Themen beschäftige – wie sehr mir andere Leute einreden wollen, wie unwichtig das in der Situation sei. „Wie kannst du das jetzt in der Situation machen?“

Ich habe Respekt vor dem Virus, richtig Angst machen mir eher die Menschen. Der übermäßige Angst-Virus verschlimmert eher. Positiv bemerken möchte ich, dass viele Menschen näher zusammenrücken. Obwohl das jetzt schon fast wieder „Situationskomik“ ist.

Ansonsten halte ich mich sehr zurück mit Äußerungen und Kritik. Wir haben bereits in den sozialen Netzwerken Hobby-Virologen und Meinungsbildner mit dem erhobenen Zeigefinger genug. Für die Medien ist diese Situation eine Raupe, die im Honig schwimmt und für viele Politiker die Möglichkeit, sich als Krisenmanager zu beweisen und sich für die nächste Wahl zu positionieren.

Dennoch möchte ich im Moment mit den politischen Entscheidungsträgern, die die tatsächlichen Entscheidungen treffen müssen und ehrliche Verantwortung zeigen, nicht tauschen. Da sehe ich dann wirklich auch die Menschen in ihnen!!! Gute Arbeit!

Ich kann an einigen Stellen schon Panik erkennen, insbesondere bei den Menschen, die jetzt eigentlich geschützt werden sollen, nämlich den Älteren. Kommt mir bitte jetzt nicht mit Definitionen. Dauerberieselung, ständige Hiobsbotschaften (Infizierte und Tote) und zunehmende Einsamkeit zerren sehr an den Nerven. Unsere Mamas sind beide 83. Wir haben alle Hände voll zu tun, sie zu beruhigen. Die Versorgungslage erinnert sie an ihre Zeit als Kriegskinder, obwohl es objektiv gesehen gar keine schlechte Versorgungslage gibt. OK – Klopapier mal ausgenommen. Ihr wisst ja auch, wie Kommunikation funktioniert: Entscheidend ist, was ankommt! Und das ist im Moment „Die Regale sind leer“ und „Alle Alten müssen sterben!“ Ich weiß nicht, wie ihr es euren Müttern, Vätern, Omas und Opas erklärt, ich bekomme folgende Antwort: „Du brauchst keine Angst zu haben, ich stecke Dich schon nicht an.“

Unsere Klienten aller Angstformen haben im Moment eine recht schwere Zeit. Die Anfragen speziell zu Ängsten wegen Corona mehren sich. Zurückkehrende, scheinbar bewältigte Ängste, nehmen wieder ihren Platz ein. Symptome verstärken sich. Das Gehirn vergisst nicht!

Fazit:

Bleibt mutig und gelassen, auch wenn das im Moment schwer erscheint. Geht liebevoll mit euch und euren Liebsten um. Eure Handlungspalette bietet wesentlich mehr als Abstand und Händewaschen. Lasst euren Angst-Virus nicht übermächtig werden.

Ich würde mich freuen, wenn meine Palette an Maßnahmen euch ein wenig gelassener machen ließe?

Die Zeit nach Corona wird kommen, auch wenn wir dann fast Alle (!) veränderte Anschauungen haben werden. Vielleicht auch positivere … Wer weiß!?

Lasst es euch gutgehen.

Text und Foto: Roland Rosinus

Tipp: https://www.angstselbsthilfe.de/angstfrei-news/

Ich wünsche mir mehr Veränderungswillen, Entschleunigung, einen besseren Umgang miteinander, bessere Einsicht auf Prioritäten und mehr Demut. Möge das zarte Pflänzchen aufgehen.